Hallo,
wir freuen uns sehr, dass Ihr so zahlreich gekommen seid, 
um uns vom Stern solidarisch zu unterstützen. Das tut gut und hilft uns,
 denn die vergangene Woche war für uns sehr belastend.
Die 
eingeschlagenen Fenster- und Türscheiben sind das Eine – das Andere sind
 die vielen Spuren, die auf eine versuchte Brandstiftung in unsere 
Räumen hinweisen.
Es sieht alles danach aus, dass nur eine gehörige 
Portion Zufall und Glück dazu geführt haben, dass nichts Schlimmeres 
passiert ist und dass keine Menschen zu Schaden kamen.
Alle Etagen über unseren Vereinsräumen sind von Familien bewohnt. Ein nächtlicher Brand hätte katastrophale Folgen haben können.
Wir hoffen, dass dieser Angriff umfassend aufgeklärt werden kann und dass die Täter*innen gefasst werden können.
Für uns steht ziemlich außer Zweifel, dass diese Attacke politische Motive hat und von Rechten verübt worden ist.
Nichts
 an dem, wie der Anschlag verübt worden ist, spricht für zufälligen 
Vandalismus oder dafür, dass jemand, der ein persönliches Motiv haben 
könnte, diese Attacke begangen hat.
Rechte Angriffe und rechte Gewalttaten kommen indes auch in Aschaffenburg nicht aus dem Nichts.
Grundsätzlich
 hatte nach der Zerschlagung des Nationalsozialismus in Deutschland 
durch die Alliierten in der Folgezeit leider keine grundlegende 
Entnazifizierung der deutschen Gesellschaft stattgefunden. Im Gegenteil:
Ehemalige
 Nationalsozialist*innen wurden für ihre Mittäterschaft an der Shoa, am 
2.Weltkrieg und an unzähligen anderen Verbrechen gegen die 
Menschlichkeit nicht etwa konsequent bestraft und gesellschaftlich 
geächtet, sondern konnten in der Regel in Staat, Sicherheitsbehörden und
 Politik wieder hohe Ämter bekleiden. In der deutschen Bevölkerung, die 
Shoa und Krieg willentlich und wissentlich mitgetragen hatte, verschwand
 die nationalsozialistische Vernichtungs- und Herrenmenschen-Ideologie 
nicht einfach über Nacht aus den Köpfen. Auch nicht in Aschaffenburg.
Und
 so endete leider auch der rechte Terror in Deutschland nicht mit der 
Zerschlagung des Nationalsozialismus. Bereits ab 1945 - und dann in den 
Jahrzehnten danach - wurden in Deutschland jüdische Friedhöfe geschändet
 – Ein Verbrechen, das in den folgenden Jahrzehnten eins der 
Hauptbetätigungsfelder von Nazis werden sollte.
Auch für Aschaffenburg sind für die Jahre 1979 und 1985 Schändungen  jüdischer Friedhöfe dokumentiert.
Der rechte Terror zeigt sich im Laufe der Jahre in der Bundesrepublik dann aber immer gewalttätiger und tödlicher. 
Unmittelbar
 nach der Wiedervereinigung 1989 explodierte die Nazi-Gewalt, die schon 
in den Jahrzehnten zuvor durch zahlreiche Morde und Gewalttaten zutage 
getreten war. Bei Anschlägen in den 1990er Jahre, die sich vor allem 
gegen Flüchtlingsunterkünfte richteten, wurden weit mehr als 100 
Menschen ermordet. 
Ende der 1980er/Anfang der 1990er Jahre 
verfestigten sich auch in Aschaffenburg neonazistische Strukturen rund 
um eine Ortsgruppe der 1995 verbotenen Nazi-Partei FAP, zu deren Umfeld 
Nazi-Skins und rechte Hooligans gehörten.
Neonazistische Aktivitäten und Übergriffe stiegen in der Folge stetig an.
Ziel
 rechter Angriffe war z.B.  das linke Kneipenkollektiv Hannebambel, das 
Nazis bevorzugt dann überfielen, wenn die 
Männerfußball-Nationalmannschaft im Finale eines internationalen 
Turniers stand.
So z.b. 1992 nach dem Finale der Europameisterschaft,
 als eine  Handvoll Nazis vor der Tür zwar erheblichen Sachschaden 
anrichteten, zum Glück erfolglos versuchte, in die Kneipe einzudringen.
Als
 vier Jahre später, bei der Europameisterschaft 1996, dann hunderte von 
nationalistisch aufgeladenen Fußball-Fans den Finalsieg der deutschen 
Auswahl feierten, griffen aus den Massen heraus Neonazis Linke an und 
versuchten in die Straße vorm Hannebambel einzudringen.
In einer 
regelrechten Straßenschlacht konnte der Angriff der Nazis zwar 
letztendlich abgewehrt werden. Trotzdem wurden einige Antifaschist*innen
 dabei zum Teil erheblich verletzt.
Anfang 1993 überschlugen sich 
dann die Ereignisse: So gab es zu Beginn des Jahres in Aschaffenburg zum
 einen Brandanschlag auf eine Flüchtlingsunterkunft, bei der aber zum 
Glück niemand verletzt wurde.
Zum anderen war zur ungefähr selben 
Zeit ein stadtbekannter Aschaffenburger Nazi-Skin zusammen mit einer 
Gruppe Nazis in Frankfurt an einem Mordversuch beteiligt. Drei 
Antifaschist*innen waren zunächst zusammengeschlagen und dann in den 
eiskalten Main geworfen worden – aus dem sie dann zum Glück gerettet 
werden konnten.
Ebenfalls 1993 kam es in der Innenstadt von 
Aschaffenburg zu einer Attacke von einer Gruppe Rechter, unter ihnen 
auch der damalige FAP-Kreisvorsitzende, auf als von ihnen nicht-deutsch 
definierte Menschen in der Aschaffenburger Innenstadt. Im Verlauf der 
gewaltsamen Auseinandersetzung, wurde einer der rechten Angreifer, Hans 
Münstermann, in Notwehr tödlich verletzt.
In der Folge versuchten die
 Nazis, diesen Tod zu instrumentalisieren und organisierten bis 1996 
jährliche Aufmärsche durch Aschaffenburg.
Im Zuge dieser Aufmärsche kam es immer wieder zu gewaltsamen Angriffen auf linke Gegendemonstrant*innen.
Beim
 letzten dieser sog. „Münstermann-Märsche“ nahmen auch Uwe Mundlos und 
Uwe Böhnhardt am Neonazi-Aufmarsch teil. Beide sollten vier Jahre später
 zusammen mit Beate Tschäpe als rechtsterroristische NSU-Gruppe 
insgesamt 10 Menschen ermorden.
Nach der Jahrtausendwende kam es 
Anfang bis Mitte der Nuller Jahre vor allem im Landkreis Miltenberg 
immer wieder zu gewaltsamen Übergriffen von Neonazis auf linke 
Jugendliche mit mehreren Verletzten.
In dieselbe Zeit falle auch 
mehrere Waffenfunde bei Rechtsextremen in der Region, bei der u.a. 
Mörser, Granaten und Handgranaten gefunden wurden.
2005 wurde erneut 
das Aschaffenburger Kneipenkollektiv Hannebambel angegriffen. Im Vorfeld
 einer Antifa-Kundgebung gegen die damalige Nazi-Kneipe „Wikinger“ 
wurden Fenster vom Hannebambel eingeschlagen und Maden in den Raum 
gekippt.
Eingeschlagen wurden von Rechten 2011 auch die Scheiben des 
SPD-Bürger*innenbüros in Aschaffenburg, sowie 2012 die Fenster eines 
alternativen Second-Hand-Ladens.
Mitglieder Nazi-Partei „Die Heimat“,
 die damals noch NPD hieß, machten indes 2008 an einem Wahlstand und 
2013 nach einer Kundgebung mit gewaltsamen Angriffen auf 
Antifaschist*innen Schlagzeilen.
2013 war auch das Jahr, in dem der Stern e.V. sich gründete und seine Vereinsräume bezog. 
Seitdem
 wird der Stern innen wie außen immer wieder mit Nazi-Aufklebern – 
insbesondere von den Identitären – beschmutzt. Zu schweren gewaltsamen 
körperlichen Neonazi-Angriffen ist es aber seitdem zum Glück noch nicht 
gekommen. Bedrohlich wurde es aber vor einigen Jahren immer wieder, als 
ein Nazi-Skin aus dem Umfeld der rechtsextremen und äußerst 
gewalttätigen  Gruppe Aryans vor einigen Jahren öfters am Stern 
vorbeizog und dabei verbal provozierte.
Derselbe Aryan war 2017 in 
Halle bei einer Nazi-Kundgebung mit am Start, in deren Folge mehrere 
Aryans Jugendliche verfolgten und zum Teil schwer verletzten.
Lokale 
Aryans waren auch – neben anderen Neonazis, wie dem am Anfang erwähnten 
ehemaligen FAP-Kader – regelmäßige Teilnehmer auf den Demonstrationen 
der lokalen Pandemieleugner*innenszene.
Aus dieser Szene heraus wurde
 2021 ein Anschlag auf einen ICE zwischen Aschaffenburg und Würzburg 
verübt, bei dem aber auch zum Glück niemand verletzt wurde.
Im 
vergangenen Jahr wurde auf einen minderjährigen Antifaschisten auf einer
 Kundgebung der lokalen Querdenker*innen-Szene ein sexueller Übergriff 
verübt.
Insgesamt kann das Gewaltpotential hier als sehr hoch 
eingeschätzt werden: Auf den Demos, die sich aus der 
Pandemieleugner*innenszene heraus entwickelt haben, kommen 
Reichsbürger*innen, Neonazis, Faschist*innen der AfD, 
Rechtsesoteriker*innen und Verschwörungs-Ideolog*innen zusammen, die 
inhaltlich antisemitische, rassistische, sozialdarwinistische, queer- 
und frauenfeindliche Einstellungen eint.
Entsprechend werden in 
Redebeiträgen auf Kundgebungen, aber vor allem auch auf den öffentlichen
 Social-Media-Kanälen, welche Hunderte von Menschen erreichen, gegen 
Minderheiten gehetzt. Es wird von Bürger*innenkrieg schwadroniert, es 
wird offen gefragt, wann endlich der erste Schuss auf Flüchtlingsboote 
im Mittelmeer fällt, es werden antisemitische Karikaturen im Stile der 
nationalsozialistischen Propaganda gepostet, die BRD und jede 
Staatsgewalt werden für illegitim erklärt.
Diese Entmenschlichungen 
von Minderheiten, die in vielen Fällen eindeutig den Straftatbestand der
 Volksverhetzung erfüllen, werden von staatlichen Behörden nur in sehr 
wenigen Ausnahmefällen juristisch verfolgt  - trotz wiederholten 
Hinweisen oder Anzeigen aus der Zivilgesellschaft.
Die 
menschenfeindliche Hetze wird durch dieses Gewähren-Lassen nicht nur 
normalisiert, sie bestärkt ihre Urheber*innen auch, immer weiter 
menschenfeindliche Inhalte zu verbreiten. Zu beobachten ist hierbei oft 
auch eine immer weitergehende Radikalisierung der Urheber*innen.
Ähnlich
 verläuft dies bei der gesellschaftlichen Normalisierung der AfD, deren 
Vertreter*innen  nach wie vor in Talkshows eingeladen werden oder von 
den bürgerlichen Tageszeitungen nach wie vor als ganz normale 
Interviewpartner*innen behandelt werden. 
All diese geistigen Brandstifter*innen legen die verbale Lunte für diejenigen, die den Worten Taten folgen lassen.
Für
 2023 wurden über 28.000 rechte Straftaten In Deutschland, registriert 
-umgerechnet ereignet sich also in diesem Land alle 18 Minuten eine 
rechte Straftat. Bei 1270 von diesen 28.000 rechten Straftaten hat es 
sich dabei um Gewaltdelikte gehandelt.
Täglich werden also hierzulande im Schnitt mehr als 3 Menschen Opfer rechter Gewalt.
Angesichts dieser furchtbaren Zahlen muss konstatiert werden:
Der
 Angriff auf uns vom Stern mag sich für uns außergewöhnlich und als 
besonders schlimm anfühlen. Aber er ist leider ein Stück ganz 
gewöhnlicher deutscher Normalität, einer Normalität, die uns zu einem 
erschreckend großen Kreis von Menschen zufügt, die zur Zielscheibe 
rechter Angriffe werden.
Und das schon seit Jahren und Jahrzehnten, 
ohne dass vonseiten verantwortlicher Politiker*innen wirklich wirksam 
dagegen vorgegangen würde. 
Dabei sollte doch gegenüber eigentlich 
die Devise gelten, die die Antilopen-Gang in einem ihrer Songs so 
treffend formuliert hat:
„Man kann und darf mit diesen Lauten gar nicht mehr reden – 
Es sollte nur noch darum gehen ihnen das Handwerk zu legen“
Doch
 die Realität sieht anders auch – trotz all der Lippenbekenntnisse 
bürgerlicher Politiker*innen bei den Anti-AfD-Kundgebungen der 
vergangenen Monate:
Denn die Politik der großen bürgerlichen Parteien
 von CSU bis GRÜNE bekämpft nicht etwa konsequent Hass, Hetze und rechte
 Gewalt: 
Nein, im Gegenteil: bürgerliche Politik meint 
Faschist*innen zuvorderst damit marginalisieren zu können, indem 
menschenfeindliche Forderungen von Faschist*innen übernommen und 
gesetzlich umgesetzt werden.
Wir sehen das beim Gemeinsamen 
Europäischen Asylsystem GEAS, aber auch beim nationalen 
„Rückführungsverbesserungsgesetz“, bei denen das Menschrecht auf Asyl 
weiter eingeschränkt worden ist , Geflüchtete entrechtet werden und 
obligatorisch in Lagerhaft vor den Toren Europas gezwungen werden 
sollen.
Wenn sie denn den Weg dahin überhaupt überleben: denn das 
Massensterben in den südlichen europäischen Meeren oder in afrikanischen
 Wüsten oder in den Folterlagern in Libyen mit freundlicher Hilfe der 
europäischen Grenzagentur FRONTEX geht ja leider weiter.
Von 
Solidarität und sicheren Fluchtwegen für die Menschen spricht hier fast 
niemand mehr. Stattdessen lächeln deutsche Politiker*innen lieber mit 
der faschistischen italienischen Ministerpräsidentin freundlich in die 
Kamera – nach vorheriger gemeinsamen Demontage menschenrechtlicher 
Mindeststandards für flüchtende Menschen.
Durch solche Kniefälle 
gegenüber rechten Menschenfeind*innen werden nicht nur Leib und Leben 
zehntausender flüchtender Menschen vor allem vor den Toren Europas 
massiv gefährdet. Es trägt auch zu einem Klima bei, in dem rechtsextreme
 Politikvorstellungen weiter normalisiert werden und sich rechte 
Gewalttäter*innen ins Recht gesetzt sehen.
Das ist aber leider fast nie ein großes öffentliches Thema, auch nicht bei den großen Demos gegen Rechts.
Stattdessen
 wird aktuell in Medien und Politik rechte Gewalt gegen 
Wahlkämpfer*innen diverser Parteien gleichgesetzt mit antifaschistischen
 Aktionen gegen Wahlkampfstände der AfD.
Rechte Gewalt und antifaschistische Gegenwehr dürfen aber auf keinen Fall gleichgesetzt werden.
Das ist ein nämlich tatsächlich ein Unterschied um´s Ganze!
Um
 es klar zu sagen: Wenn Nazis und Faschist*innen aus ihren niederen 
Beweggründen, aus antisemitischen, aus rassistischen, aus 
antiziganistischen, aus sozialdarwinistischen, aus frauen- und 
queerfeindlichen, oder sonstwie menschenfeindlichen Motiven gegen 
Menschen hetzen und damit potentiell eine Gefahr für deren Leib und 
Leben darstellen, dann trägt jede antifaschistische Gegenwehr zum Schutz
 potentiell betroffener Menschen bei – gerade auch da, wo der Staat 
versagt – und er versagt allzu oft beim Kampf gegen Rechts.
Auch ein 
von Antifaschist*innen umstellter AfD-Stand trägt beispielsweise dazu 
bei,  dass zumindest zeitweise von dort nicht mehr gegen andere gehetzt 
werden kann.
Lassen wir also unseren Kampf – by any needs necessary –
 gegen Rechts nicht spalten und lassen wir nicht zu, dass die verlogenen
 Opfernarrative von AfD und anderem rechten Pack in der Öffentlichkeit 
Raum einnehmen.
Arbeiten wir lieber gemeinsam weiter daran, dass 
Rechte, Nazis und Faschist*innen gesellschaftlich so weit zurück 
gedrängt werden könne, dass ihr Narrative nicht mehr verfangen.
Kämpfen
 wir für eine Welt, in der rechten Gewalttäter*innen eine breite 
gegenwehrbereite Zivilgesellschaft entgegensteht, so dass sie es erst 
gar nicht mehr wagen, Minderheiten, Anders Aussehende, Anders Liebende, 
Anders Denkende oder uns und unsere Strukturen anzugreifen.
Sorgen wir dafür, dass sie irgendwann keinen Millimeter Aktionsradius mehr haben für ihre Hetze und Gewalt.
Nie wieder ist jetzt! Vielen Dank!